Delmenhorst. Man kann es durchaus eine Abschieds-Tournee nennen, was da am Sonntag seinen Anfang nahm: Der Chor "Teutonia von 1863", der dieses Jahr seinen 150. Geburtstag feiert, verabschiedet nämlich Helmfried Röder, der seit 1977 Leiter dieses größten Delmenhorster Chors ist. Im Herbst gibt er den Taktstock in jüngere Hände. Erste Station von vier "Abschiedskonzerten" war die bis auf den letzten Notsitz besetzte Turbinenhalle auf der Nordwolle, in der Teutonia zum Abschluss des Internationalen Museumstags ein Konzert gab. Das Turbinenhaus erwies sich nach relativ unaufwendigen, sehr nützlichen, hallabsorbierenden Deckeninstallationen als nahezu perfekter Konzertsaal. Sollte je das Kleine Haus grundlegend renoviert werden, könnte dies historische Juwel gut als Ausweichstätte dienen, wenn es nicht überhaupt regelmäßig Spielstätte sein sollte.
Teutonias Programm bot einen überzeugenden Überblick über das Repertoire, mit dem der Chor in den vergangenen sechsunddreißig Jahren seinen Erfolg begründete. Der erste Teil gehörte klassischen und im klassischen Stil gehaltenen Sätzen aus der Volksmusik. So bekam nach dem sehr getragen gesungenem israelischen Friedenskanon "Shalom chaverim" Giovanni Gastoldis berühmtes Renaissance-Madrigal "An hellen Tagen" akzentuiert tänzerische Leichtheit mit duftigen Pianofarben. Die Chansons "Die alte Mühle" und "Wolkenbilder" aus der Feder von Heinz Lemmermann gefielen durch die leicht angeraute Harmonik ihrer Sätze, durch die fein gestalteten Stimmungswechsel, durch einen ausdifferenzierten, feinen und leichten Chorklang, dem etwa im zweiten Chanson auch so etwas wie ein "Lächeln im Tönen" gelang.
Das Volkslied "Kein schöner Land" mit Bariton Markus Liebegott als Solist wirkte auch wegen des sehr gelehrsamen Satzes etwas statisch. Gefälliger waren da die drei den ersten Teil beschließenden plattdeutschen Lieder: Das von alten Liebesbräuchen erzählende "Dat du min Leevsten büst", bei dem Hans Werner Hedderich an der Gitarre mit großem Ton stützender Begleiter war, ließ Helmfried Röder in den Zwischenspielen auch als Kunstpfeifer agieren. "De Moel", mit Röder an der Klarinette und Hedderich als Sänger, war in Manfred Weicherts Satz fast zu süß-sentimental, mit dem tragisch endenden "Lütt Matten" ging es trotzdem beschwingt in die Pause.
Der zweite Teil begann noch einmal gleichsam klassisch mit dem "Kyrie" aus Ariel Ramirez‘ "Misa Criolla". Wieder war Markus Liebegott in diesem ersten Satz aus der "Kreolischen Messe" mit weich timbrierter Stimme der Solist. Der Chor sorgte für die archaische Klangaura mit ihrer Mixtur aus argentinischer Volksmusik und europäischer Kunstmusik. Zwei Spirituals und ein Gospel-Song zeigte Teutonia mit allen Chortugenden: der ausgewogenen Balance zwischen den Stimmgruppen, dem dichten, homogenen Klang, der Fähigkeit, lange Bögen atmend zu gestalten, Sätze mit dynamischer Dramaturgie aufzubauen und auch Mittelstimmen zu ihrem Recht kommen zu lassen. Der südafrikanische Gospelsong "Siyahamba" wurde zwar in der Sprache der Zulu gesungen, war aber doch sehr romantisch-europäisch getönt.
Der Schluss des Zweistundenprogramms gehörte originärer Pop-Musik. Das "California Dreamin‘" hatte allerdings wenig "Flower-Power"-Flair, geriet rhythmisch sehr kantig. "The Lion Sleeps Tonight" mit dem Sopran-Solo von Sabine Altkirch und Hella Rosebrock hatte da mehr Pop-Feeling. Elton Johns "Can You Feel The Love Tonight" aus "König der Löwen" zeigte den Chor in bester Form, der anspruchsvoll durchbrochen gearbeitete Satz ließ den Song indes überladen und zerrissen wirken. Zum Finale gab es mit dem "Dona-nobis-pacem"-Kanon ordentlich was zum Mitsingen, wobei sich das Publikum zu Röders Freude als äußerst anstellig zeigte.
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